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AutorenbildKatharina Neuhold

Fake News und Vertrauensverlust in der Gesellschaft



Wir leben in einem Zeitalter, in dem alle blitzschnell ihre Meinung auf Social Media äußern können. Es gibt hier kein Regulativ und mittlerweile ist es schwierig geworden, zu filtern, welche Aussagen richtig oder falsch sind. Natascha Strobl spricht in ihrem Buch „Radikalisierter Konservatismus“ unter anderem diese Problematik an und stellt die Frage in den Raum, wie es sein kann, dass ein US-Präsident über Social Media Unwahrheiten verbreitet und diese mit einem Warnhinweis versehen werden müssen und wieso ein konservativer Bundeskanzler auf einmal die Sprache der Identitären verwendet. Sie zeigt in diesem Buch auf, wie Politiker:innen (Kurz, Nehammer,…) Anhängerschaften mobilisieren, Narrative erschaffen, Message Control ausüben und welche Narrative diese erschaffen.[1]

Sarah Spiekermann befasst sich in ihrem Buch „Digitale Ethik“ mit dem „Wissen im digitalen“ Zeitalter und stellt den „Kick“ dieses Fortschrittes der letzten Jahrzehnte den „Wert des Wissens in eine Negativspirale“ als Scheidepunkt dar und fordert ein digitales Wertesystem.[2]

Angesichts des Vertrauensverlusts in unsere Demokratie und der Verbreitung von Fake News in diversen (sozialen) Medien ist es, wie von Jürgen Habermas zuvor beschrieben, notwendig geworden, einen neuen Diskurs auch via Social Media zu etablieren. Fake News sind eines der am meisten diskutierten (Medien-)Themen der letzten Jahre. Wodurch wird dieser Begriff definiert? Man muss hier differenzieren zwischen unbewussten und bewussten Falschmeldungen. Unbewusste Falschmeldungen können zum Beispiel durch nachlässige Recherche entstehen und verbreitet werden; bewusste Falschmeldungen konnten insbesondere seit Beginn der Corona-Pandemie durch Fehlinformationen beobachtet werden.[3]

Einerseits fehlt es bei den Social-Media-Kanälen an einem rechtlichen Regulativ und andererseits befindet man sich, wenn man in diesen unterwegs ist, ganz schnell in einer „Filter-Bubble“, die oft durch aggressive Kommentare geprägt ist, weil es weniger Hemmungen gibt, in der digitalen Welt seine Meinung zu äußern, da man sich nicht von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht und schnell etwas schreiben kann – oftmals aus rein emotionalem Impuls.

Ein wichtiger weiterer Aspekt, den man nicht außer Acht lassen darf, ist die Medienberichterstattung der etablierten (Print-)Medien und der Wandel dieser. Geprägt durch hohe Druck- und Produktionskosten, Einsparungen in der Personalpolitik und Inseratenaffären, ist die journalistische Öffentlichkeit in Österreich ein zentraler Gegenstand kritischer Betrachtung. Öffentlich-rechtliche Angebote werden immer öfter – nicht nur, aber auch – von Politiker:innen bekrittelt und angegriffen. 2019 forderte die FPÖ zum Beispiel den Rücktritt des ZIB2-Moderators Armin Wolf, wie Zeit Online berichtete. „Die rechtspopulistische FPÖ stellt sich schon lange gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich. Doch dreht sich die Kritik sonst um die Rundfunkgebühren oder den Vorwurf einer Fake-News-Plattform, geht die Partei nun gegen den Journalisten und ORF-Moderatoren Armin Wolf vor.“[4]

 

Schlussendlich sind die großen Fragen, die sich unserer Gesellschaft stellen: Wie gehen wir mit diesem Zugang zur Demokratie um? Wie können wir der Politikverdrossenheit der Menschen entgegenwirken? Welche Akteure, seien es Organisationen, Institute oder Privatpersonen, engagieren sich für die Förderung einer gesunden Demokratie und die Kommunikation sowie Verwirklichung von Themen, die die Bürger:innen unserer Gesellschaft betreffen, mit dem Ziel, das Bestmögliche für unsere Gesellschaft und Demokratie zu erreichen?

In dem von Bernhard Pörksen gemeinsam mit Andreas Narr herausgegebenen Buch „Schöne digitale Welt“ werden Analysen und Einsprüche in Form von Essays verschiedener Persönlichkeiten kompakt darstellt. In seinem Vorwort stellt Pörksen die Frage, wie in Zeiten, in denen sich das Engagement gegen Populist:innen, Rechtsradikale und für eine gelingende Integration, gegen den Klimawandel und gegen die Vermüllung des Planeten richtet, die Zukunft beschrieben wird. Die Antwort: düster, deterministisch, utopisch.[5]

Er geht sogar weiter: „Es ist aus, Freunde! Ihr seid zu Recht total verzweifelt!“[6] Pörksen beschreibt weiter, dass dies vor allem von den Rechtsradikalen und Populist:innen so artikuliert werde und ergänzt, dass das tatsächlich Beunruhigende das Fehlen der intellektuellen Mitte – „einst Garanten des Widerstandes des antiliberalen Denkens […] und die ihren Gegnern, den Unheilspropheten von rechts, formal immer ähnlicher werden“ – sei.[7]

Im selben Buch schreibt Sascha Lobo, Journalist und Mitbegründer der Charta der digitalen Menschenrechte,[8] einen Essay mit dem Titel „Das Ende der Gesellschaft. Von den Folgen der Vernetzung.“[9], in welchem er gleich zu Beginn klarstellt, dass „die Gesellschaft gar nicht am Ende ist“[10]. Er meint damit das Gefühl, das uns vermittelt wird, wenn wir in einer Gesellschaft leben – um es frei nach dem Soziologen Ferdinand Tönnies zu sagen –, die aus einer Menge von künstlichen und natürlichen Individuen besteht, die miteinander vernetzt sind. In seinen Ausführungen, die nicht nur die Social-Media-Kanäle direkt betreffen, erklärt Lobo weiter: und um es in die ungefähren Worte von Pierre Bourdieu zu übersetzen: Es ist kompliziert.“[11]

Sascha Lobo ist aber überzeugt, so wie viele andere, dass wir eine neue Phase erleben und damit zwangsläufig etwas zu Ende geht.[12] Aber er meint damit nicht die Gesellschaft – vielmehr geht es ihm einerseits um die Illusion eines Gesellschaftsverständnisses, das wir durch Massenmedien und das eigene soziale Umfeld erfahren haben, und darum, dass immer mehr erkennen, dass es dieses nicht gibt, weil wir immer mehr verstehen, dass wir eigentlich gar nicht wissen, was vor sich geht.[13] Er meint damit, dass wir mit den Technologien überfordert sind und gar nicht fassen können, was da alles im Hintergrund abläuft, was wir eigentlich gar nicht verstehen und wahrnehmen. Weiters schreibt er, wie diese Vorstellungen in den sozialen Medien durch Menschen, die sich „undemokratisch, unmenschlich und widerlich“[14] zu Themen wie z. B. den Flüchtlingen äußern. Die steigende Zahl an Kommentaren von Menschen, die sich nicht anonym menschenverachtend, rassistisch und respektlos öffentlich äußern, wird immer größer; das nennt Lobo die „Niederungen der sozialen Medien“. Mit einem Luhmann-Zitat beschreibt er das ganze Dilemma: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“[15]

Es sind vor allem die Emotionen, die die Menschen in den sozialen Medien mittels Kommentaren verbreiten und offensichtlich nicht mehr unter Kontrolle haben. Diese Emotionen bleiben stehen und werden oft einfach nicht dementiert. Menschenverachtende, rassistische, hetzende Parolen verbreiten sich rasant und wir entscheiden uns vielfach wegzusehen, sie unkommentiert zu lassen und auszublenden oder machen mit und bekräftigen sie durch ein Like, ein Herz oder ein wütendes Symbol. Er schreibt weiter, dass „soziale Medien ein riesiges, enorm wirksames Gefühlsschleuderwerk [sind, Anm.], deren Hauptzweck Emotion ist, Information kommt erst lange danach“[16].

Weiters zitiert er Max Weber: „Das Prinzip der Demokratie ist implizit aufgebaut auf der Annahme, dass sich die meisten Menschen einigermaßen rational verhalten. Dass sie bei der politischen Willensbildung abwägen, überlegen, nachdenken, zu Schlüssen kommen aufgrund der Faktenlage und ihrer Interpretationen.“[17] Genau das bringt Sascha Lobo zum Gedanken, dass die sozialen Medien dazu geführt haben, dass man den Menschen in die Köpfe schauen könne. Die Meinungen werden hier geäußert wie oben beschrieben: rein aus Emotion und aus plötzlichen emotionalen Wutausbrüchen. Schlussendlich beendet Lobo seinen Essay mit dem Aufruf, dass man sich beteiligen – etwas sagen – muss., egal ob on- oder offline.


[1] Vgl. Strobl, Natascha (2021): Radikalisierter Konservatismus. Eine Analyse. Berlin: Suhrkamp Verlag. S. 45-48.

[2] Vgl. Spiekermann, Sarah (2021): Digitale Ethik. Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert. München: Droemer Verlag. S. 208.

[3] Vgl. APA/AFP (17. März 2021): Wie man Fake News in Corona-Zeiten erkennt und damit umgeht. Der Standard. Im Internet: https://www.derstandard.at/story/2000115845687/wie-man-fake-news-in-corona-zeiten-erkennt-und-damit (eingesehen am 4.5.2023).

[4] Dautz, Daniel (29. April 2019): FPÖ fordert Entlassung von ORF-Moderator Armin Wolf. Zeit Online. Im Internet: https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/oesterreich-fpoe-politiker-rauswurf-armin-wolf-orf-forderungen (eingesehen am 4.5. 2023).

[5] Vgl. Pörksen, Bernhard (2019): S. 9.

[6] Ebda. S.10.

[7] Vgl. Ebda. S.10.

[8] Vgl. Wir fordern digitale Grundrechte. Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union. Im Internet: https://www.zeit-stiftung.de/f/Digital_Charta_371x528_RZ%20%281%29.pdf (eingesehen am 18.4. 2023).

[9] Vgl. Pörksen, Bernhard (2019): S. 12.

[10] Lobo, Sascha (2019): Das Ende der Gesellschaft. Von den Folgen der Vernetzung. In: Bernhard Pörksen und Andreas Narr (Hrsg.): Schöne digitale Welt. Analyse und Einsprüche von Richard Gutjahr, Sascha Lobo, Georg Mascolo, Miriam Meckel, Ranga Yogeshwar und Julia Zeh. Köln: Herbert von Halem Verlag. S. 52.

[11] Ebda. S. 53.

[12] Vgl. Ebda. S. 55.

[13] Vgl. Ebda. S. 55.

[14] Ebda. S. 58.

[15] Ebda. S. 59.

[16] Ebda. S. 61.

[17] Ebda. S. 63.

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